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Zusammenfassung

Die 7. ITI-Konsensuskonferenz fand im Mai 2023 in Lissabon statt. Auf dem Gebiet der Implantologie wurden insgesamt fünf Bereiche identifiziert, die jeweils in einer Arbeitsgruppe weiter untersucht werden sollten. Das Thema der Gruppe 4 lautete „Nutzen für die Patienten“. Die Gruppe erstellte drei systematische Reviews mit folgenden Titeln: 1) „Behandlungseffekt der implantatgetragenen festsitzenden Voll-  und implantatgetragenen Deckprothetik auf die patientenberichteten Ergebnisse: ein systematischer Review und Metaanalyse“; 2) „Orale Funktion bei unbezahnten, mit implantatgetragener Prothetik versorgten Patienten: ein systematischer Review und Metaanalyse“; und 3) „Effekt der implantologischen Behandlung auf den Erhalt der orofazialen Gewebe: ein systematischer Review und Metaanalyse“.

Ziel der Gruppe 4 auf der 7. ITI-Konsensuskonferenz war es, Informationen über den Nutzen der implantologischen Behandlung für die Patienten bereitzustellen. Der erste und der zweite systematische Review befassten sich mit dem Nutzen für unbezahnte Patienten, während der dritte systematische Review teilbezahnte und unbezahnte Patienten berücksichtigte. Im ersten systematischen Review wurde bei der implantologischen Therapie die implantatgetragene festsitzenden Vollprothetik mit einer implantatgetragenen/-retinierten Deckprothetik im Hinblick auf die Unterschiede bei den patientenberichteten Ergebnissen (dPROs) verglichen. Der zweite systematische Review untersuchte den Nutzen für Patienten, die mit implantatgetragenen Prothesen (im Vergleich zu konventionellen Alternativen) versorgt wurden, hinsichtlich der kurz- und langfristigen Verbesserung der oralen Funktion. Der dritte Review schließlich analysierte den Effekt der implantologischen Behandlung – verglichen mit keiner Behandlung oder konventioneller Prothetik – auf den Erhalt von orofazialen Strukturen.

Die Ergebnisse der systematischen Reviews zeigten, dass die Stabilisierung zumindest des Unterkiefers mit einer implantatgetragenen Deck- oder einer festsitzenden implantatgetragenen Vollprothetik bei unbezahnten Patienten mit einem deutlichen Nutzen hinsichtlich Lebensqualität, Zufriedenheit mit der Prothetik und der oralen Funktion einhergeht. Bei diesen Patienten waren implantatgetragene herausnehmbare oder festsitzende Prothesen am besten zur Rehabilitation geeignet und sollten daher allen Patienten vorgeschlagen werden, auch denen mit eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten. Bezogen auf den Erhalt des Alveolarkamms gibt es Evidenz dafür, dass der Knochen in Bereichen mit Implantaten langsamer resorbiert wird als in unbezahnten Bereichen desselben Kiefers. Außerdem wurde in Studien gezeigt, dass die Dicke des M. masseter bei unbezahnten Patienten nach der Stabilisierung der Prothetik durch Implantate zunimmt. Bislang gibt es dazu zwar nur wenig Evidenz, dies könnte aber ein wichtiges Thema weiterer Forschungen bei älteren Patienten sein, um die orofaziale Unterfunktion besser zu verstehen und zu verhindern.

Systematischer Review 1: „Behandlungseffekt der implantatgetragenen festsitzenden Voll- und implantatgetragenen Deckprothetik auf die patientenberichteten Ergebnisse: ein systematischer Review und Metaanalyse“

Die patientenberichteten Ergebnisse (PROs) beschreiben die gesundheitsbezogenen Ergebnisse direkt aus der Sicht des Patienten ohne Interpretation durch eine andere Person. Die patientenberichteten Ergebnismessungen (PROMs) sind die Werkzeuge zur Quantifizierung und Messung der PROs. Die dentalen patientenberichteten Ergebnisse (dPROs) entsprechen der Anwendung der PROs auf das Gebiet der Zahnmedizin. In ihrem systematischen Review wollten Abou-Ayash und Mitautoren die Behandlungseffekte implantatgetragener festsitzender Voll- und implantatgetragener oder -retinierter Deckprothetik auf die dentalen patientenberichteten Ergebnisse (dPROs) ermitteln. Im Gegensatz zu vielen anderen Forschungsarbeiten wurde im vorliegenden Review versucht, die dPRO-Werte vor und nach der Behandlung zu vergleichen.

In einem früheren Review war die Angabe der dPROs bei unbezahnten Patienten mit implantatgetragener festsitzender Voll- oder Deckprothetik inkonsistent und unzureichend (Yao et al. 2018). Obwohl es in letzter Zeit mehr Studien in der Implantologie gibt, welche die Sicht der Patienten mithilfe von dPROMs einbeziehen, gibt es auch weiterhin viele andere Studien, bei denen diese Information fehlt, insbesondere auf dem Gebiet der festsitzenden implantatgetragenen Prothetik. Um die Vergleichbarkeit der verschiedenen Skalen und nicht standardisierten dPROs und PROMs sicherzustellen, berechneten Abou-Ayash und Mitautoren Unterschiede der Effektstärke (ES) zwischen den Studien, die bisher als angemessenes Werkzeug zum Vergleich der dPROs galten (Reissman et al. 2021). Die ES ist ein quantitatives Maß des Behandlungseffekts. Je höher die ES ist, umso stärker ist der Behandlungseffekt.

Konsensus-Statements

Bei unbezahnten Patienten, die mit konventioneller Vollprothetik rehabilitiert wurden, verbessert der Einsatz von Implantaten (in Ober- und Unterkiefer) die dPROs insgesamt. Wenn mit einer Vollprothese versorgte, unbezahnte Patienten eine implantatgetragene Restauration erhalten, bessern sich die dPROs unabhängig davon, ob die Patienten eine implantatgetragene festsitzende Voll- oder eine implantatgetragene Deckprothetik erhalten, in vergleichbarem Ausmaß.

Wenn der unbezahnte Unterkiefer mit einer implantatgetragenen Deckprothetik versorgt wurde, gibt es keine Unterschiede bei den dPROs zwischen Stegretention und nicht verblockten Attachments. Die Stege erreichten eine mäßig höhere ES als Einzelattachments, allerdings war dieser Unterschied statistisch nicht signifikant. Die Ergebnisse legen nahe, dass es bei den dPROs – in Bezug auf die Attachments – keinen Unterschied zwischen stegversorgten/gestützten implantatgetragenen Deckprothesen und solchen mit Einzelattachment gibt.

Implantatgetragene Deckprothetik im Unterkiefer, die von zwei Implantaten getragen wird, ist einer von nur einem Implantat getragenen Deckprothetik hinsichtlich der dPROs überlegen. Andererseits verbessert die Verwendung von mehr als zwei Implantaten die dPROs von implantatgetragener Deckprothetik im Unterkiefer nicht.

Klinische Empfehlungen

Gemäß den klinischen Empfehlungen im Konsensusbericht können bei unbezahnten Patienten aufgrund von Komfort und Stabilität sowohl implantatgetragene festsitzende Voll- als auch implantatgetragene Deckprothesen empfohlen werden. Für maximalen Komfort, höchstmögliche Stabilität und beste Retention kann die implantatgetragene festsitzende Vollprothese der implantatgetragenen Deckprothese bei entsprechender klinischer Indikation vorgezogen werden. Weitere Faktoren, die bei der Wahl zwischen einer implantatgetragenen festsitzenden Voll- und einer implantatgetragenen Deckprothetik berücksichtigt werden sollten, sind Sprache, Händigkeit, Wartungsanforderungen, ästhetische Aspekte, Platzbedarf, Kosten, Stabilität und Retention. In der Phase der Behandlungsplanung sollte auch auf die Fähigkeit des Patienten, eine adäquate Plaquekontrolle zu erzielen, geachtet und diese Fähigkeit regelmäßig überprüft werden.

Aus Sicht des Patienten können verblockte und einzelne Attachments (Abb. 1) als gleich effektiv angesehen und empfohlen werden. Die dPROs zeigen, dass implantatgetragene Deckprothesen im Unterkiefer, die von einem oder zwei Implantaten getragen werden (Abb. 2), eine bessere Versorgung sind als eine Vollprothese und dass zwei Implantate komfortabler sind als ein Einzelimplantat.

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Abb. 1: Oben – zwei Locator-Attachments zur Retention einer implantatgetragenen Unterkiefer-Deckprothese. Unten – ein Steg (verblockte Attachments) zur Retention einer Unterkiefer-Deckprothese
Abb. 2: Eines versus zwei Implantate zur Retention einer implantatgetragenen Unterkiefer-Deckprothese. Die Ergebnisse des ersten systematischen Reviews zeigen, dass das Hinzufügen eines zweiten Implantats bei einer implantatgetragenen Deckprothese auf nur einem Implantat einen starken positiven Effekt auf die dPROs hat
Abb. 1 Abb. 2

Das Setzen von mehr als zwei Implantaten verbesserte die dPROs von implantatgetragenen Deckprothesen im Unterkiefer nicht. Die für den Unterkiefer empfohlene Anzahl von Implantaten hängt auch von der Gegenbezahnung ab: Ist der Oberkiefer bezahnt oder mit einer implantatgetragenen festsitzenden Vollprothese restauriert, werden zur Aufnahme der implantatgetragenen Deckprothese im Unterkiefer mehr als zwei Implantate mit Standarddurchmesser in strategischen Positionen empfohlen. Dadurch treten seltener Komplikationen, wie Frakturen der Implantate und der prothetischen Komponenten, auf. Auch in bestimmten klinischen Szenarien, wie anatomischen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen der Mukosa, werden mehr als zwei Implantate empfohlen, um eine bessere Abstützung durch Implantate zu erzielen und die auf der Mukosa zu reduzieren.

Empfehlungen für künftige Forschung

Empfehlungen für die künftige Forschung beziehen sich auf kritische Aspekte, die von der aktuellen Literatur nicht abgedeckt werden. So sollte in der Terminologie klar zwischen dPROs und dPROMs unterschieden werden, damit auf jeden Fall der richtige Begriff verwendet wird und Missverständnisse vermieden werden. Außerdem sind weitere Studien zum direkten Vergleich der Effekte von implantatgetragener festsitzender Vollprothetik und implantatgetragener Deckprothetik auf die dPROs wünschenswert. Bei der Angabe der dPROs sollten neben den Ausgangswerten immer auch Verlaufswerte angegeben werden, damit aussagekräftige Vergleiche und Interpretationen möglich sind. In der Zukunft sollten standardisierte dPROs bevorzugt werden, um eine hohe methodische Qualität und Vergleichbarkeit sicherzustellen, wie die Verwendung des Oral Health Impact Profile (OHIP). Zur Beurteilung bestimmter Behandlungsergebnisse können die vorhandenen Fragebögen um spezielle Fragen ergänzt werden. Die Vergleichbarkeit von dPROs und dPROMs aus verschiedenen Studien ist sehr wichtig und war eine der Hauptschwierigkeiten beim Versuch, die vorhandenen Daten zu vergleichen. Daher sollten Fragen gewählt werden, die bereits in zuvor durchgeführten Studien zum selben Thema verwendet wurden. Die Antworten auf derartige Fragen sollten auf häufig verwendeten und akzeptierten Skalen, wie einer visuellen Analogskala (VAS), einer Ordinal- oder einer Likert-Skala, erhoben werden.