Die P4-Medizin mit den Schwerpunkten Prädiktion, Personalisierung, Prävention und Partizipation für ein präzises Patientenmanagement gilt als die Zukunft der medizinischen Praxis. Technologien, die Künstliche Intelligenz (KI) verwenden, verändern viele medizinische Fachgebiete rapide und spielen eine entscheidende Rolle bei der Wegbereitung der P4-Medizin. In der Implantologie wurde die Digitalisierung weitaus stärker vorangetrieben als in vielen anderen zahnmedizinischen Fachgebieten, indem in allen Behandlungsphasen moderne digitale Technologien zum Einsatz kommen. In jüngster Zeit wird für die Implantologie eine wachsende Anzahl innovative KI-Tools entwickelt und validiert. Mit ihrer Hilfe kann der Arzt präzisere Diagnosen stellen, eine stärker personalisierte Behandlungsplanung und präzisere Operationen durchführen und besser vorhersagbare Behandlungsergebnisse erzielen. Dieser Artikel liefert eine Übersicht der KI-Tools, die in verschiedenen Phasen der Implantologie – von der Diagnostik bis zur Behandlung – eingesetzt werden. Gleichzeitig wird darauf eingegangen, inwieweit sie das präventive, prädiktive, personalisierte und partizipative Vorgehen beim implantologischen Patientenmanagement verbessern können.
Schon seit Jahrzehnten werden Tools zur Risikobewertung eingesetzt, um die Wahl der Behandlungsstrategien bei verschiedenen Erkrankungen von Zähnen, Mundhöhle und Kieferknochen zu unterstützen. Dazu wurden die Betroffenen anhand gemeinsamer phänotypischer Merkmale Risikogruppen zugeordnet. Beispielsweise wurden Risikofaktoren, wie Tabakrauchen, Diabetes mellitus und schlechte Mundhygiene, verwendet, um das Risiko für eine parodontale oder periimplantäre Erkrankung zu ermitteln. Anschließend wurden bei allen Betroffenen in dieser Risikogruppe dieselben Präventivmaßnahmen oder Behandlungen durchgeführt (Schwendicke et al. 2022). Bei einer personalisierten Behandlung sollten die Behandlungsstrategien auf die individuellen biologischen, sozialen und behavioralen Merkmale abgestimmt sein, wodurch sie dem Konzept der P4-Medizin nahesteht (Hung et al. 2023).
Die 2010 eingeführte P4-Medizin gilt als die zukünftige Form der medizinischen Praxis und betont die Bedeutung der 4 P beim Management der Patienten (Auffray et al. 2010). Diese stehen für Prädiktion, Personalisierung, Prävention und Partizipation. Bei der Prädiktion wird versucht, anhand von Genetik, Lebensführung und Umgebungsfaktoren vorherzusagen, wie anfällig ein Mensch für bestimmte Krankheiten oder Veränderungen ist. Dadurch können etwaige gesundheitliche Probleme frühzeitig erkannt und entsprechende Präventionsmaßnahmen ergriffen werden. Die Prävention konzentriert sich auf die Reduktion des Risikos für Erkrankungen und Gesundheitsprobleme, indem die Lebensführung verändert, gezielte Interventionen durchgeführt und anhand der jeweiligen Risikofaktoren personalisierte Gesundheitspläne erstellt werden, um die Gesundheit allgemein zu erhalten. Bei der Personalisierung werden unter Berücksichtigung der individuellen biologischen, sozialen und behavioralen Merkmale maßgeschneiderte diagnostische, therapeutische und präventive Strategien entwickelt. Dadurch sind präzisere und effektivere Therapien mit weniger Nebenwirkungen möglich. Partizipation bedeutet, die Betroffenen durch patientenzentrierte Präventivmaßnahmen und Gesundheitsmonitoring aktiv einzubinden (Bartold et al. 2022).
Derzeit halten zahlreiche innovative Spitzentechnologien, wie Künstliche Intelligenz (KI), Robotics, virtual/augmented Reality (VR/AR) sowie tragbare und implantierbare Smart Devices, Einzug in den Gesundheitssektor, von denen sich die KI als treibende Kraft bei der Entwicklung hin zu einer P4-Zahnheilkunde etabliert hat (Hung et al. 2023). Inzwischen wurden in den verschiedensten zahnmedizinischen Fachbereichen KI-Tools entwickelt, die den Arzt bei der Diagnostik, Behandlungsplanung, Vorhersage des Ergebnisses und dem Patientenmanagement unterstützen sollen (Hung et al. 2022). Die KI-Tools wurden überwiegend unter Verwendung von Deep Learning, insbesondere Convolutional Neural Networks, anhand von zahnmedizinischen Röntgenaufnahmen entwickelt, da die zum Training erforderlichen Bilddaten leicht verfügbar waren.
Für die Implantologie wurde und wird weiterhin eine steigende Anzahl von KI-Tools entwickelt, die den Arzt in den verschiedenen Phasen von der Diagnostik und Behandlungsplanung bis hin zur postoperativen Versorgung und Erhaltungspflege unterstützen sollen (Wu et al. 2024) (Tab. 1, Abb. 1).