In den letzten Jahren haben die Anwendungen der künstlichen Intelligenz (KI) erheblich zugenommen. Dadurch wurde die Art, wie Menschen mit Technologie interagieren, revolutioniert. Auch in die Zahnmedizin haben KI-Anwendungen Einzug gehalten und eröffnen Ärzten und Patienten neue Möglichkeiten. Bedingt durch die große Zahl an Implantaten, die jährlich gesetzt werden, wurden für alle Stadien der Implantologie – von der Diagnostik über die Prognose bis zur Erhaltungspflege – zahlreiche innovative KI-Tools vorgeschlagen. Im Einzelnen können KI-Tools Ärzten helfen, Marken und Typen des Implantats auf Röntgenbildern zu erkennen, Bedingungen zu identifizieren, die den Implantaterfolg beeinträchtigen könnten, eine schnellere und genauere Implantatplanung durchzuführen und periimplantäre Erkrankungen während der Nachsorge frühzeitig zu diagnostizieren. Obwohl sich manche dieser KI-Anwendungen noch im experimentellen Stadium befinden, hat die KI das disruptive Potenzial, jeden Arbeitsschritt der implantologischen Therapie zu revolutionieren, die Präzision von Diagnosen und Prognosen zu verbessern, die Implantatplanung zu beschleunigen und zu vereinfachen sowie operative Eingriffe zu verkürzen und weniger invasiv zu gestalten. Dabei werden KI und digitale Technologien den Zahnarzt nicht ersetzen. Sie sollten stattdessen als eine neue Möglichkeit begriffen werden, um repetitive und zeitaufwendige Aufgaben schneller zu erledigen und Zeit freizumachen, die zur menschlichen Interaktion mit den Patienten genutzt werden kann.
Als Künstliche Intelligenz (KI) wird ganz allgemein die Fähigkeit eines Computersystems bezeichnet, komplexe Aufgaben, wie Entscheidungsfindung und Problemlösung, auszuführen, die traditionell mit menschlicher Intelligenz in Verbindung gebracht werden, (Joda, Waltimo et al. 2018; Shan et al. 2021). Technisch gesehen lässt sich die KI in zwei große Gruppen unterteilen: schwache KI und starke KI. Erstere, die im Englischen auch als Artificial Narrow Intelligence (ANI) bezeichnet wird, kann ohne jegliche intrinsischen kognitiven Fähigkeiten bestimmte Aufgaben ausführen, wie die Identifikation eines bestimmten Objekts in einer Bilderserie (Computer Vision). Bei der starken KI hingegen handelt es sich um ein System, das typische mentale Eigenschaften des Menschen und sein Bewusstsein nachbildet, somit exakt wie der menschliche Geist arbeitet (Scerri and Grech 2020). Während es die starke KI bislang noch in keiner Form gibt, hat der Einsatz von Systemen, die auf einer schwachen KI basieren, im Alltag erheblich zugenommen. Dadurch wurde die Art, wie Menschen mit Technologien interagieren und an komplexe Aufgaben herangehen, revolutioniert. Die Verbreitung von KI-Forschung und KI-Anwendungen hat auch in der Human- und Zahnmedizin kontinuierlich zugenommen.
Derzeit basieren die meisten KI-Anwendungen in der Medizin auf maschinellem Lernen (Machine Learning, ML) und konzentrieren sich auf die Auswertung von Röntgenbildern. Nach einem Training mit vorhandenen Datensätzen treffen ML-Algorithmen bei neu eingelesenen Daten korrekte Vorhersagen (Bernauer et al. 2021). Bei klassischen ML-Modellen ist ein menschliches Eingreifen erforderlich, um das System mit markierten Datensätzen, anhand derer der Algorithmus trainiert wird, zu versorgen.
Als Deep Learning (DL) wird ein Teilbereich von ML bezeichnet. Anders als beim ML können DL-Modelle Muster in den Daten erkennen und die Rohdaten des Übungsdatensatzes ohne menschliche Intervention autonom hierarchisieren (Ren et al. 2021). Das Rückgrat der DL-Algorithmen bilden Künstliche Neuronale Netze (KNNs). Sie bestehen aus Knotenschichten: einer Input-Schicht, einer oder mehreren verborgenen Schichten und einer Output-Schicht. Jeder Knoten ist ein künstliches Neuron, das mit einem anderen verbunden ist. KNNs mit mehr als 3 Schichten gelten als DL-Algorithmus (Abb. 1). KNNs können lernen und ihre Präzision durch Übungsdatensätze verbessern. Allerdings werden dazu sehr große Datenmengen benötigt (Bernauer et al. 2021).
Inzwischen wurden verschiedene KI-gestützte Anwendungen und Tools entwickelt und eingeführt, die dem Zahnarzt im klinischen Alltag beispielsweise bei der Identifikation und Klassifikation von Pathologien auf digitalen Bildern assistieren (Litjens et al. 2017). Von besonderem Interesse für die Zahnmedizin sind intraorale 2D-Röntgenaufnahmen, die digitale Volumentomografie (DVT) und das optische Scannen. Für die Diagnose, Behandlungsplanung, das restaurative Design und die Re-Evaluation werden routinemäßig JPG-, DICOM- und STL-Daten gesammelt und bieten daher eine interessante Quelle für die Entwicklung und den Einsatz von KI-Technologien (Hung et al. 2020). Diagnostische KI-Modelle konnten auf Röntgenaufnahmen erfolgreich pathologische dentale Veränderungen, wie interproximale Kariesläsionen, Wurzelfrakturen, periapikale Läsionen und parodontalen Knochenverlust (Abb. 2) identifizieren (Devito et al. 2008; Johari et al. 2017; Chang et al. 2020; Endres et al. 2020).
Auch in die Kieferorthopädie wurden KI-Modelle erfolgreich eingeführt. Hier haben sich wissensbasierte Algorithmen und Methoden der Computer Vision beim Identifizieren und Vermessen anatomischer Landmarken auf Kephalogrammen als zuverlässig erwiesen (Gupta et al. 2015; Park et al. 2019).
In diesem narrativen Review soll dargestellt und zusammengefasst werden, wofür KI derzeit in der Implantologie eingesetzt wird. Der Aufbau dieser Übersicht entspricht mit der Abfolge aus Diagnostik, klinischem Behandlungsprotokoll (einschließlich Labor-Workflow), Prognose und Erhaltungspflege (Abb. 3) dem digitalen implantologischen Workflow und beschreibt die Arbeitsschritte, bei denen KI zukünftig eine Rolle spielen kann. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Bereichen dentale Bildgebung, Behandlungsplanung, geführte Implantatchirurgie und Patientenmonitoring.